ZWEI POSITIONEN: SUSANNE HUTH, JULIA MÜLLER

Eröffnung: Freitag, 16. November 2012, 19.00 Uhr
Ausstellung: 17. November bis 15. Dezember 2012

 

Die neuen Arbeiten von Susanne Huth und Julia Müller führen an unterschiedliche Schauplätze, finden jedoch ihren gemeinsamen Bezugspunkt in der Omnipräsenz ökonomischer Verflechtungen. Während Julia Müller in assoziativen Bildern aus dem südlichen Griechenland ein Gefühl von Erstarrung vermittelt, das man unweigerlich mit der Finanzkrise assoziiert, zeigen Susanne Huths Fotografien aus dem Hamburger Hafen an einem konkreten Fallbeispiel die Dynamik einer Verwertungskette, die Deutschland mit Afrika verbindet. 

Julia Müller: λυκφως Blaue Stunde (2012)
Langsam senkt sich die Dämmerung herab über eine erhabene Landschaft aus Bergen und Meer – ein zeitloses, unbestimmtes Fernweh weckendes Motiv. Seine geografische Verortung – Julia Müller hat das Video Ionian Nightfall unweit der Insel Ithaka am Ionischen Meer aufgenommen – ruft die Welt der homerischen Epen auf, die Zeit des Mythos. Diesem Resonanzraum korrespondiert auch der poetische Begriff der Blauen Stunde, der das besondere Licht und die eigentümliche Atmosphäre des Zeitraums zwischen Tag und Nacht bezeichnet. Doch statt romantischer Gestimmtheit hinterlassen die Fotografien Müllers, die fragmentarische Ansichten von Geröll, staubigen Pflanzen, halbfertigen Häusern und abgestellten Autos in einer offenen Hängung zusammenfügen, den Eindruck des Provisorischen, von Stagnation, von Resignation. Obwohl keines der Fotos konkrete Hinweise auf die wirtschaftspolitische Situation Griechenlands enthält, rufen sie Gedanken an Staatspleite und drohende Verarmung, an die Abhängigkeit von internationalen Finanzmärkten auf. Verschwunden ist die Assoziation mit der Wiege der abendländischen Kultur oder einer unbeschwerten Lebensfreude – Griechenland ist zur Drohkulisse geworden für den wirtschaftlichen Abstieg ganz Europas. 

Susanne Huth: Global Forwarding (2012)
Billig gemachte Visitenkarten haben Susanne Huth auf einen florierenden internationalen Handel gestoßen: den Verkauf von Autos, die auf dem hiesigen Gebrauchtwagenmarkt kaum noch etwas wert wären, in aufstrebende Großstädte Westafrikas. Bei diesem Global Forwarding handelt es sich nicht um eine Odyssee, sondern um das Durchlaufen einer hocheffizienten Abfolge nur weniger Stationen: Von den mobilen Händlern werden die Wagen direkt zum Hamburger Hafen gebracht, dort auf RoRo-Schiffe (roll on – roll off) verladen, um in Sierra Leone, Benin oder Nigeria ihren neuen Besitzern zugeführt zu werden. Ohne sich auf eine chronologische Dokumentation zu verpflichten, zeichnet Susanne Huth mit ihren am Ort der Verschiffung aufgenommenen Fotografien ein präzises Bild der Prozeduren des Transfers: Hafenansichten mit Schrotthalden, auf denen aussortierte Ware direkt ausgeschlachtet wird, der schäbige Plattenbau der Logistikfirma, die Transportlisten und Routenpläne, die Autos aufgereiht vor einer Kulisse von Ladekränen, der Blick durch die Scheiben in das als Ladefläche für weitere Güter genutzte Innere. Nirgends kommt der Übergang von der einen in die andere Welt jedoch so deutlich zum Ausdruck wie bei den Close-ups auf die Lieferzettel mit den afrikanischen Namen und Ortsangaben, unter denen noch die Aufkleber der Altbesitzer hervorscheinen.

 

Susanne Holschbach

Zurück