ULRIKE KOLB UND EVA SCHÖFFEL | Andernorts

Eröffnung: Freitag, 14. Februar 2014, 19.00 Uhr
Ausstellung: 15. Februar bis 15. März 2014

 

Wenig verbindet die Arbeiten von Ulrike Kolb und Eva Schöffel, könnte man zuerst denken. Ist es etwa die Anbindung an Traditionen? Die eine Künstlerin fotografiert analog und die andere nutzt mit dem Linolschnitt eine Hochdrucktechnik, die – dem Holzschnitt verwandt – auf eine jahrhundertlange Tradition zurückschauen kann. Beide beschäftigen sich mit dem Stadtraum, wie er uns heute umgibt und mit den Strukturen, die ihn gliedern. Diese Strukturen mit einem aus Verwunderung und Formwillen gemischten Blick anzusehen und damit neu zu sehen, das ist vielleicht die eigentliche gemeinsame Ebene der beiden Künstlerinnen. Prägte der französische Soziologe Marc Augé für die Randzonen der zeitgenössischen Großstädte den Begriff der „Nicht-Orte“, so könnte man die Gegenstände und Gegenden der Bilder dieser beider Künstlerinnen als Nicht-Bilder bezeichnen, zeigen sie doch etwas, das man als bildwürdig bis dahin nicht wahrgenommen hat. 

Eva Schöffel arbeitet mit wenigen Farben und klaren Formen, so dass ihre Bilder einfach und durchschaubar wirken. Es geht um die Darstellung von Baukörpern und Raum. Darin mag man auch in den zweidimensionalen Arbeiten die ausgebildete Bildhauerin erkennen. In Linolschnitten und Cut Outs aus Karton entwickelt sie Stadtlandschaften und Häuser, die gerade im Wegschneiden der Druckform einen Raum entstehen lassen. Wobei sich erst durch die beharrliche Komposition und den bewussten Schnitt etwas zu einem Bild fügt, das es so nicht gibt, obwohl es uns an Gesehenes erinnert. Die Serie „Orte“ zeigt beispielhafte Räume, in denen auch die Erinnerung an einen Ort eine Rolle spielt. Eine Erinnerung, die im Fall von „Schule“ zum Beispiel ganz biografisch auf die Künstlerin bezogen verstanden werden kann, die aber auch in ihrer grundsätzlichen Einfachheit den Betrachter an selbst Gesehenes erinnern kann.

In einer neuen fotografischen Serie „Briefe“ arbeitet Eva Schöffel mit Schriftbildern. Einzelne handschriftlich auf Papier aufgetragene Wörter und Textpassagen scheinen wie Fragmente von Briefseiten der Vollendung zu harren. Die Sätze wirken wie Gedankensplitter, können aber auch als Selbstbefragung oder als Botschaft an eine imaginäre Person verstanden werden. Zugleich fragt man sich, was man da sieht: Einen augentäuschend gemalten Zettel oder die banale Situation eines auf den Boden gefallenen Papiers? Auch in dieser Serie geht es gleichermaßen um unser Wahrnehmen, wie um den Gegenstand selbst.

Ulrike Kolb arbeitet ebenfalls in Serien. „Im Haus der Stadt“ zeigt Ausschnitte von Architekturen und Stadträumen. Die Orte bleiben anonym und sie sind unspektakulär. Kein Schild, keine Beschriftung erlaubt es, sie mit einem konkreten Ort zu verbinden. In den gleichmäßig hellen Räumen gibt es keine Perspektiven, die den Blick des Betrachters in die Tiefe ziehen würden. Die Genauigkeit der Komposition, des Bildausschnitts und die Subtilität der Farben betonen hingegen die skulpturale Eigenschaft von Treppenstufen und Hauseingängen, deren Nutzen unwichtig wird. Auch die perspektivelosen Linien von Fliesen und Fensterreihen machen aus diesen Ausstattungselementen rein graphische Strukturen. Es entstehen Bilder, in denen es um Grundsätze abstrakter Kunst geht: das Verhältnis von Flächen und Farben. Zugleich sind diesen Flächen und Farben Spuren des Gebrauchs eingeschrieben, die den Betrachter wieder an die uns umgebende Lebenswelt verweisen. Aber sind es wirklich Spuren des Gebrauchs, sind es real vorhandene Situationen? Man ertappt sich doch immer wieder bei diesen Fragen und der Blick versucht, Gewissheit zu bekommen, ob es sich nicht doch um Modelllandschaften handelt, so perfekt sind diese Bilder inszeniert. Denn Ulrike Kolbs Fotos spielen nicht nur mit unserer Alltagserfahrung, sondern auch mit unserem Wissen um die zeitgenössische Fotografie.

In dieser beiläufigen Hinterfragung unserer Sehgewohnheiten treffen sich die beiden Künstlerinnen. Was in ihren Bildern zuerst so einfach und überschaubar wirkt, vermag doch den Zauber des Befremdlichen oder eine Melancholie der Erinnerung zu wecken. Und dann gehen einem diese Bilder nicht mehr aus dem Kopf.

Andreas Strobl

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