ULRIKE LUDWIG | Räume

Eröffnung: Freitag, 25. Mai 2007, 19 Uhr
Ausstellung: 26. Mai bis 30. Juni 2007

Im Mittelpunkt von Ulrike Ludwigs fotografischer Arbeit steht die genaue Beobachtung unserer Raumkultur. Ihr typologisches Interesse gilt Räumen und Häusern, die von ihren Nutzern verlassen wurden. In Anlehnung an ethnologische Verfahrensweisen erinnern Ludwigs Fotografien an Feldforschungen. Seit 1997 hat sie sich immer wieder auf eine Spurensuche begeben, die sie in den Jahren 2005 bis 2007 intensiviert hat. Ihr Fokus richtete sich nicht nur auf den leeren Raum, sondern sie hat sich die Ecke ausgesucht und markiert mit diesem besonderen Detail eine „Leerstelle“ in verschiedensten Innenräumen. 

Die auf einen konkreten historischen Kontext verweisenden Zeichen werden bewusst ausgeblendet. Auf diese Weise wird den Bildern, die sich durch ihren scheinbar sachlich-dokumentierenden Blick auszeichnen, ein abstrakt-zeichenhafter Charakter verliehen, der durch das untersuchte Detail Ecke verstärkt wird. 

Räume sind nicht an sich leer, sondern Leere zeigt sich an ihnen für uns. Leere beschreibt so gesehen eine Relation zwischen einem beobachteten Bewusstsein und einem Raum. Doch Leere ist immer eine doppelte Beziehung – ein Raum ist nicht nur leer für jemanden, er ist ebenso leer von etwas. 

Ulrike Ludwig löste sich mehr und mehr von der vordergründigen Spurensuche und stellte sie sich der Frage nach dem System einer Ordnung, forschte nach sozialen Oberflächensystemen und legte ein Archiv von Raumkulturen an. Der Quader – mathematisch konstruiert – ist die Basis der meistens von Menschen gebildeten Räume und er benötigt ein „architektonisches“ Ordnungssystem von Punkten, Linien und Flächen. Stellvertretend für gewesenes Leben sprechen diese kargen Relikte menschlicher Präsenz ihre eigene, formal aufs äußerste reduzierte Sprache: nackte Zimmerwände, Fußböden, Steckdosen, Fenster und Türen. Ludwigs Räume und Raumecken ermöglichen eine mentale Rekonstruktion der Architektur. Denn auch der vermeintlich leere Raum ist nie spurlos, gerade die Leere lässt die Präsenz des Gewesenen erfahrbar werden. Die Strukturen einer möglichen Ordnung: Punkt, Linie und Fläche zeigt Ludwig nicht nur in architektonischen Räumen, sondern auch in den Raumecken von beispielsweise Sitzmöbeln oder einer Schachtel, einem Karton und verweist damit auf ein allgemeines Ordnungssystem. 

Abseits eines voyerhaften Hineinschauens in ein individuelles Leben, schaut die Künstlerin auf unseren, den gesellschaftlichen Lebensraum und erforscht gleichzeitig Zeit- und Kunsträume. Spuren selbst stellen sich in ihren Arbeiten als Leere dar. Ihre Macht, ihr Zauber rühren von der Fähigkeit her, dass wir als Betrachter gedanklich eine Verbindung zwischen einem Ordnungssystem und der Leere herstellen können und somit die Koordinaten in der Hand halten, immer wieder aufs neue einen Lebens- und Nutzraum einzurichten. 

Ulrike Ludwig zeigt mit den fotografischen Arbeiten, dass man die Oberfläche eines Raumes wie einen Text lesen und entschlüsseln kann. Gedächtnis und Erinnerung sind von jeher aufs Engste mit dem Raum verknüpft und so kann man die reduzierten Zeichnungen, die sie ihren Fotoarbeiten gegenübergestellt hat als mentale Verräumlichung des zu Erinnernden lesen. Mit dem Bleistift visualisiert sie die gefundene Ordnung: Punkt, Linie und Fläche und zeigt uns offene Handlungsräume.

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