UTA NEUMANN | Von vagen Grund
Eröffnung: Freitag, 26. September 2008, 19.00
Ausstellung: 27. September bis 11. Oktober 2008
Uta Neumann nähert sich mit ihren präzisen Fotografien nicht nur sich selbst, sondern auch dem Objekt. Mit ihren Annäherungen an das „Was ist“, lotet sie ihr eigenes Potenzial mit dem Zustand und dem Bewusstsein der Gegenwart aus. Mit den verschiedensten visuellen Möglichkeiten bewegt sie sich stetig um das, was nicht mehr da ist. Es ist ein Verdacht, der wie ein Geist durch ihre Bilder schleicht. Es ist der Verdacht der Abwesenheit, der unseren Blick auf das lenkt, was in seiner Ästhetik durchdringend leer und gescheitert wirkt. Das Verhältnis des Menschen zur Natur bildet ein wiederkehrendes Motiv in Uta Neumanns Fotografien. In welcher Form sie uns die Schönheit der Beiläufigkeit, des Momentes vergegenwärtigt, ist leicht zu erkennen. Es ist die Formensprache der Ruhe und Klarheit, aber auch die Sprache von den Beziehungen zu den Dingen. Ihr Blick für Nebenschauplätze, die für den Augenblick des Zwiegesprächs in unser Leben treten, ist in seiner Nüchternheit bestechend.
In ihrer Serie „Rauschen“ (2003) wird unser Blick auf eine Person gelenkt, die sich windet und vom Boden wieder aufrichtet. Obwohl wir den jungen Mann in zwei verschiedenen Umgebungen sehen, verändern Laub und Sand sein Unbehagen nicht, sondern im Gegenteil, sie verstärken es. Der zeitgemäß wirkende Mann, der moderne Lifestyleattribute wie Kapuzenjacke, Jeans und Schlüsselband an sich trägt, scheint stellvertretende Figur für das moderne Subjekt zu sein – der Natur will er entfliehen. Der Ursprung ist für ihn zu etwas Fremden geworden, ein unbekanntes Territorium, das in seiner Einfachheit der Komplexität des verletzten Ichs des urbanen Menschen einen Kontrast bietet, der nur schwer zu ertragen ist.
In der Fotoserie „What we are longing for“ (2006/2007) teilt Uta Neumann ihren Zugang zu drei Personen. Diese Personen setzt sie mit einer Lichtung, in die Sonnenlicht hereinfällt, in einen Zusammenhang. Diese Zusammenstellung bildet eine Kohärenz zwischen diesen Menschen und der Lichtung, die plötzlich Sinnbild für die Sinnfrage wird. Die Lebenszeit, die zwischen den drei Porträtierten liegt, die uns mit all ihrem „Was ist“ anblicken, ist stellvertretend für die Zeit. Zeit, die immer anders ist und die immer wieder Veränderungen hervorbringt, zeichnet sich mit Distanz zur Fotografin in die Gesichter der drei. Wir finden keine Details, sondern nur den reinen Blick. Die Sehnsucht nach Stärke, nach dem was die Natur in sich trägt – Beständigkeit und Ruhe – blickt uns in aller Ruhe an.
Wenn man einen Raum verlassen hat, gibt es wieder etwas Neues, auf das man seinen Blick richten kann. Der Aufforderung der Fotografin, die uns mit ihrer neuesten Fotoserie „Den Raum verlassen“ (2008) mit Abbildungen einer Realität konfrontiert, die Fragen von Ursprung, Zufall, Aufzeichnung und Inszenierung stellen, sollte nachgegangen werden. Das Ergebnis ist ein strenges Bild, das einem nicht die Illusion des Realen vermitteln möchte, sondern das Bild einer Realität ist. Der sichtbar gewordene Ausschnitt ist allerdings nichts, was keine Geschichte besitzt. „Den Raum verlassen“ folgt einer Dialektik des Abwesenden und Anwesenden. Das Anwesende ist zum Stehen gekommen, das Abwesende bleibt im Verborgenen. Die fotografische Oberfläche verschließt die Spuren, die einen menschlichen Akt vermuten lassen könnten. Sie macht uns gleichzeitig aber das Angebot den Raum wahrzunehmen, der mit Sorgfalt hier eingefangen wurde.
Uta Neumann begegnet ihren Motiven im Alltag. Sie stellt mit der Reproduktion eines Momentes, eines Gedanken, die Frage nach der Herkunft der Dinge. Unbeachtete Objekte, Räume und Menschen sind für sie, aufgrund ihrer reinen Existenz und Schönheit, von Wert und Interesse.
Susanne Weiß, freie Kuratorin und künstlerische Leiterin des Kunsthaus Dresden